In Deutschland ist man sich einig: Wir wollen aus der Atomenergie aussteigen und langfristig komplett auf erneuerbare Energien umsatteln. In anderen Teilen der Welt sieht das aber ganz anders aus. Hier betrachtet man sogar Atomkraftwerke als die Lösung, um unseren CO2-Ausstoß zu verringern und damit die Erderwärmung zu bremsen. Deswegen wird auch seit geraumer Zeit an der neuen, verbesserten Version eines Atomkraftwerks geforscht und neue Konzepte versuchen unsere Stromproduktion zu sichern.
Wie Spektrum.de schreibt, sind aktuell weltweit 448 Atomkraftwerke in Betrieb, davon noch 8 in Deutschland. Andere Länder setzen nach wie vor auf die Atomenergie und fördern den Ausbau. So will China seinen Kohlestrom, der für den tödlichen Smog in den Städten mitverantwortlich ist, durch die Stromproduktion mittels AKWs ersetzen. Auch in Kanada wird weiter getüftelt. Die dortige Firma "Terrestrial Energy“ etwa hofft nun bald auf die Betriebserlaubnis für einen neuen Reaktortyp, der mit Flüssigsalzen gekühlt werden soll.
Das klassische Funktionsprinzip eines heutigen Atomkraftwerks hat Spektrum.de übersichtlich zusammengefasst:
„In Kernreaktoren wird durch die kontrollierte Spaltung schwerer instabiler Atomkerne in einer Kettenreaktion Energie freigesetzt. Die erste kontrollierte Kettenreaktion fand vor 75 Jahren in Chicago in einem Forschungsreaktor statt, den der Physiknobelpreisträger Enrico Fermi entwickelt hatte. In den heute am weitesten verbreiteten Leichtwasserreaktoren werden die schnellen Neutronen, die beim radioaktiven Zerfall des Kernbrennstoffs – meist angereichertes Uran – entstehen, zunächst abgebremst. Das erledigt ein Moderator, beispielsweise Wasser oder Graphit. Die abgebremsten Neutronen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, von einem der schweren Atomkerne eingefangen zu werden und ihn zu spalten. Die dabei entstehenden leichteren Atomkerne tragen die frei werdende Bindungsenergie in Form von Bewegungsenergie davon. Zudem entstehen freie Neutronen, die ihrerseits wieder Kerne spalten, so dass eine Kettenreaktion abläuft, die sich selbst aufrechterhält. Durch die Bewegungsenergie der Spaltprodukte erhitzt sich das Material im Reaktor. Die entstehende Wärme wird durch ein Kühlmittel – häufig Wasser – abgeführt und treibt Turbinen an.“
(Spektrum.de, von Philipp Hummel, Link: https://www.spektrum.de/news/kernkraftwerke-der-zukunft/1527265)
Die Generationen
Die Entwicklung neuer Konzepte für Atomkraftwerke teilt man grob in vier Kategorien ein, die mitunter noch Unterkategorien beinhalten.
Die erste Generation beschreibt die ersten experimentellen Atomkraftwerke und Reaktoren, die in den 1950er und 60er Jahren entwickelt, gebaut und erforscht wurden. Von diesen ist heute keiner mehr am Netz.
Die zweite Generation hingegen beschreibt die ersten Kraftwerke, die sich wirtschaftlich rentierten und daher ihren Atomstrom ins Netz einspeisen. Da es sich hierbei aber um die ersten Kraftwerke handelt, sind diese natürlich ziemlich störanfällig und weisen mitunter weniger Sicherheitsstandards auf, als neuere Generationen. So waren die beiden Unglücksreaktoren Tschernobyl und Fukushima beide Atomkraftwerke der zweiten Generation.
Die dritte Generation ist die heute am weitesten verbreitete. Dabei handelt es sich meistens um sogenannte Leichtwasserkraftwerke, bei denen die Brennelemente mit Hilfe von Wasser gekühlt werden, das gleichzeitig als Moderator dient. Das sind auch die, die man häufig in der Nähe von Flüssen baut, da sie einen enormen Wasserverbrauch aufweisen. Weitere Infos sind hier zu finden: klick mich!
Jetzt kommt das Spannende: Denn an den Konzepten der vierten Generation wird aktuell weltweit getüftelt und es gibt auch einige Konzepte und Vorschläge, die durchaus vielversprechend zu sein scheinen. Man verspricht sich von Ihnen mehr Effizienz, weniger Atommüllproduktion, eine höhere Wirtschaftlichkeit und natürlich auch mehr Sicherheit.
SFR (Sodium- Cooled fast Reactor)
Dieser Reaktortyp wird mit flüssigem Natrium gekühlt. Davon verspricht man sich eine geringere Unfallgefahr, da es leichter zu handhaben sei und es bei normalem Luftdruck arbeiten kann. Die heutigen Leichtwasserreaktoren stehen immer unter Druck und können daher ggf. explodieren, was bei diesen hier nicht der Fall sein soll. Dabei gibt es zunächst einen Natriumkreisauf, der auch die radioaktiven Brennelemente umspült. Diese leiten ihre Wärme an das Natrium weiter und dieses trägt die Energie an einen zweiten, äußeren Natriumkreislauf, der keinen Kontakt zu den radioaktiven Brennstäben hat. Damit soll ein Austreten radioaktiver Elemente vermieden werden können. Dieser zweite Natriumkreislauf gibt die Energie dann an einen Wasserkreislauf weiter, der eine Turbine antreibt, die dann Strom erzeugt. Der SFR soll also vor allem sicherer sein.
VHTR (Very-high-temperature-reactor)
Dabei sind im Reaktorinneren Grafitkugeln, in denen das radioaktive Brennmaterial eingeschlossen ist. Die Kugeln fungieren auch als Moderator. Sie heizen sich aufgrund der Spaltprozesse auf. Anschließend geben sie die Wärme an den Überträger, in diesem Falle ein Heliumgas, weiter. Dieses strömt auf und treibt dabei eine Turbine an. Der hier dargelegte Prozess setzt zum einen sehr hohe Temperaturen frei, höher als in Leichtwasser-AKWs, weswegen auch der Effiziensgrad dieses Konzeptes deutlich erhöht sein dürfte.
LFR (Lead-Cooled fast Reactor)
Diese Version wird durch flüssiges Blei gekühlt, das bei den Spaltprozessen mit Prozesswärme erhitzt wird. Es leitet die Wärme anschließend an CO2 ab, das als Wärmetauscher fungiert. Ein recht einfaches System, weswegen es auch kostengünstig zu bauen ist, aber aufgrund des Einsatzes von Schwermetallen wie Blei auch nicht unumstritten. Aufgrund der vielen Versiegelung sind die Baukosten bei dieser Version auch ziemlich hoch, zumal diese Art von AKWs auch verstärkt erbebensicher gemacht werden muss.
MSR (Molten-Salt-Reaktor)
Der Flüssigsalzreaktor nutzt Salz zur Kühlung der Brennelemente. Dabei gibt es wieder einen ersten Kreislauf, bei dem das Flüssigsalz die radioaktiven Brennelemente umspült und die Wärme abführt. Dies leitet die Wärme dann an einen zweiten Flüssigsalzkreislauf weiter, der komplett frei von radioaktivem Material ist, ehe auch hier die Wärme dann an einen geschlossenen Wasserkreislauf gelangt, wobei der entstehende Wasserdampf eine Turbine antreibt. Ein Nachteil aber ist, dass aufgrund des Salzes besondere Speziallegierungen zum Einsatz kommen müssen, da das Salz sehr korrosiv ist. Insgesamt weist diese Version aber eine erhöhte Sicherheit und auch eine gesteigerte Effizienz auf.
Small-Modular-Reactors
Man hat aber auch erkannt, dass es sich nicht mehr lohnt riesige Kernkraftwerke zu bauen, die sehr anfällig für Gefahren sind. Lieber möchte man zukünftig viele kleine Module zusammenschalten, die man auch wahlweise aus und anschalten kann. Diese „Small-Modular-Reaktoren“ bergen nicht die Gefahr einer Kernschmelze und Flüssigsalzreaktoren ließen sich sehr gut in dem verkleinerten Format konstruieren.
Wie weather.com berichtet, sind es gerade die USA, die in den kleinen Modulen die Zukunft der Atomenergie sehen. Sie möchten damit ihr Ziel einer CO2-Reduktion erreichen.
Eine große Besonderheit bei den kleinen Modulen ist, dass sie keine Pumpen benötigen, die etwa bei einem Stromausfall besonders gefährdet sind und häufig einen Hauptauslöser für Kernschmelzen darstellen. Man kann sich solch ein Modul als großen Wassertank vorstellen. In der Mitte des Tanks befinden sich die Brennstäbe, die von Salz umgeben sind. Das relativ kalte Flüssigsalz sinkt, aufgrund der Gravitation nach unten. Dort wird es von den Brennstäben aufgeheizt und wie jedes Kind weiß, strömt warmes Material aufwärts. Deswegen strömt das erhitzte Material an die Oberfläche, wo es seine Wärme an einen Wasserkreislauf abgeben kann, der dann die Energie in einer üblichen Turbine erzeugt. Das wieder abgekühlte Material sinkt von selbst wieder nach unten und kann sich erneut aufheizen. Deswegen sind Pumpen bei den kleineren Varianten, dank der natürlichen Konvektionsströme, nicht mehr nötig.
Auch können diese Kraftwerkvarianten viel einfacher ab und angeschaltet werden. Dies ermöglicht es ihnen flexibel auf den Bedarf im Stromnetz zu reagieren, um zum Beispiel natürliche Schwankungen bei erneuerbaren Energien auszugleichen. Auch sind die kleinen Kraftwerke zu klein, um eine Kernschmelze auslösen zu können. Wird das Brennmaterial gestört, kommt die Reaktion schlicht zu erliegen, aber es heizt sich nicht übermäßig auf. Auch versprechen sich die Zeichner am Reißbrett von der modularen Gestaltung weniger radioaktive Atomabfälle, da diese neu aufbereitet und dann in sogenannten Brutreaktoren noch weiter gespalten werden sollen. Mit den ersten Reaktoren, die im Netzbetrieb getestet werden dürften, ist im Jahr 2024 in den USA zu rechnen, so berichtet es weather.com.
Kritiker hingegen bemängeln, dass trotz alledem Atommüll produziert wird, der irgendwo endgelagert werden muss. Weiter sehen sie erneuerbare Energien als Einzellösung und wollen diese besser speichern und auf die Atomkraft in Gänze verzichten, um die Menschen und die Umwelt zu schonen.
Es bleibt also abzuwarten, welches der vorgestellten Konzepte sich für die vierte Generation der Atomkraftwerke tatsächlich umsetzen lässt. Klar ist aber, dass sich die Menschheit so schnell nicht von ihrer Atomkraft trennen wird. Auch wenn Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, der Rest der Welt sieht darin die Lösung für den menschgemachten Klimawandel.
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