In meinem Liebesroman „Die Anhänger der Liebe“ wird Jenny, die Protagonistin, von ihrem Vater verlassen. Sie und ihre Mutter müssen von nun an versuchen alleine klar zukommen und das ist gar nicht so einfach. Aufgrund dieser herben Enttäuschung entschließt Jenny sich von jeglichen Liebesdingen fernzuhalten, da sie sah, wie es bei ihren Eltern furchtbar schief lief. Aber wie genau geht es eigentlich Scheidungskindern in Deutschland? Welche Hintergründe haben sie, welche Folgen hat eine Scheidung für sie, gar für Erwachsene?
Zahlen, Daten, Fakten
Im Jahr 2016 gab es rund 132.000 minderjährige Kinder, die von einer Scheidung der Eltern betroffen waren. Ein Jahr später ging die Scheidungsrate in Deutschland, nach ihrem Höhepunkt im Jahr 2003, wieder zurück. Allerdings muss man auch festhalten, dass die Anzahl der Eheschließungen abnahm [3]. Doch auch früher schon gab es Scheidungskinder. Im Jahr 1954 ließen sich in der BRD etwa 50.000 Elternpaare scheiden, waren es Mitte der 90er im gesamtdeutschen Raum schon dreimal so viele. Heute hat die Scheidungsrate sich auf etwa 200.000 pro Jahr eingependelt [2]. Daher lässt sich schlussfolgern, dass die Scheidungen seit Ende des zweiten Weltkriegs stetig zugenommen haben [2]. Gründe dafür gibt es viele, auf die ich hier aber nicht näher eingehen werde. Doch eine interessante Entwicklung zeigen die Statistiken noch auf: Paare warten heute immer länger, bis sie schließlich den Bund fürs Leben eingehen. Das führt wahrscheinlich dazu, dass sie ihre Wahl hinterher immer seltener bereuen, was als ein möglicher Grund für den Rückgang der Scheidungsrate angesehen werden kann [3].
Warum Ehen zerbrechen
Warum genau sich ein Ehepaar scheiden lässt ist meist schwer zu sagen. Schließlich können ein Seitensprung, die Lustlosigkeit in der Ehe oder viele andere Faktoren
ausschlaggebend für den Schritt zum Scheidungsanwalt sein. Achim Heid-Loh vom Evangelischen Zentralinstitut für Familienberatung in Berlin meinte gegenüber dem Stern allerdings, dass es häufig an
den falschen Idealen der Elternrolle liegen könnte: „Das partnerschaftliche Ideal von Beziehung auf Augenhöhe, bei der man sich die Kindererziehung, den Haushalt und die Berufstätigkeit teilt,
zerbirst an der Realität des Arbeitsmarktes und den Schwierigkeiten der Kinderbetreuung“ [1]. Dies führe schließlich häufig zu Streitereien, Stress, Enttäuschungen und letztlich zur Trennung.
Manche Paare reißen sich dann allerdings noch solange zusammen, bis das Kind in der Pubertät oder bereits erwachsen ist. Denn kaum ist der Nachwuchs dann aus dem Haus und man sieht sich wieder in
einer klassischen Paarbeziehung, merkt man erst, wie viel kaputt sei [1].
Rund zwei Jahre brauchen Eltern schließlich, bis sie sich an
die neue Situation nach einer Scheidung angepasst haben. Dasselbe gilt logischerweise auch für betroffene Kinder. In diesem Zeitraum werden gerechte Regelungen getroffen, Absprachen klar gemacht,
neue Alltagsroutinen aufgebaut und die emotionalen Belastungen verarbeitet, meint Sabine Walper, Forschungsdirektorin vom Deutschen Jugendinstitut in München [1]. Sie merkt auch noch an, dass es
besonders für die Kinder besser sei, wenn zerstrittene Eltern es in ausweglosen Situationen schneller schaffen einen Schlussstrich zu ziehen. Denn in unsicheren Situationen, oder gar einem
Rosenkrieg, seien Kinder immer diejenigen, die als erstes darunter litten [1].
Scheidungsfolgen für Kinder
Gerade Kinder gehen selten positiv aus einer Scheidungssituation hervor. Das fängt schon damit an, dass
Scheidungskinder ein höheres Risiko für Bildungsnachteile haben können, da sie aufgrund der Situation Zuhause viel Stoff in der Schule verpassen und unter Konzentrationsproblemen leiden [1]. Doch
das sind teilweise noch die harmlosesten Folgen. Zumeist sind es gerade die Eltern, die die Kinder belasten. Viele von ihnen sind im ersten Moment meist selbst nicht in der Lage mit ihrer
emotionalen Situation umzugehen. Das hat dann zur Folge, dass die Kinder beginnen sich für das Wohl der Eltern verantwortlich zu fühlen. Sie wollen Verantwortung übernehmen und den eigenen Eltern
helfen. Was diese dann meistens tun, nennt sich Emotionaler Missbrauch, denn die betroffenen Kinder verpassen dadurch ihre eigene Kindheit, sagt die Berliner Psycho- und Paartherapeutin Miriam
Junge [4].
Besser sind dahingehend Scheidungen, bei denen beide Elternteile Fassung bewahren und versuchen sich im Guten zu trennen. So erzählt Dana Kaselow dem
Deutschlandfunk etwa: „Dana Kaselows Eltern trennten sich als sie 14 war - ohne Rosenkrieg, ohne Intrigen und ohne Gezerre an den zwei gemeinsamen Kindern. Dana Kaselow bleibt mit ihrer Mutter
und ihrem Bruder nach der Trennung in der alten Wohnung, geht weiter auf dieselbe Schule, Freunde und Umfeld bleiben gleich. Die neue Wohnung des Vaters kann sie zu Fuß erreichen. Als Jugendliche
war Kaselow eine Zeit lang verzweifelt und später eifersüchtig auf die neuen Partner ihrer Eltern. Heute ist die 29-Jährige selbst verheiratet. Und die gesamte Familie glücklich mit der neuen
Konstellation.“ [4]
Weitere Langzeitfolgen von Scheidungskindern können sein, dass sie selbst einen passiv-aggressiven Umgang als normal erachten, da dies häufig in
Trennungssituationen von den Elternteilen vorgelebt wird. Noch später können Therapien nötig werden, um Verdrängungen, Motivationsverlust oder eine Depression aufzuarbeiten [2].
Scheidungsfolgen für Erwachsene
Aber auch später im Erwachsenenalter kämpfen Scheidungskinder häufig mit den entsprechenden Folgen. So ist es beispielsweise keine Seltenheit, wenn sie ihre eigenen Paarbeziehungen vernachlässigen, aus Angst, auch diese könnte enden wie die ihrer eigenen Eltern. Sie fühlen sich selbst noch Jahrzehnte nach der Scheidung schuldig für das, was ihre Eltern auseinanderbrachte. Häufig, obwohl sie kaum der Grund gewesen waren. Das hat auch zur Folge, dass die eigene Vergangenheit gerne verklärt wird. Im Rückblick wirkt die Scheidung dann gar nicht mehr so schlimm und die Folgen werden teilweise drastisch unterschätzt. Häufig können erwachsene Scheidungskinder auch schlechter loslassen und trauern einer gescheiterten Beziehung ungewöhnlich lange hinterher. Auch medizinische Folgen, wie körperliche oder seelische Beschwerden, können noch Jahrzehnte später auftreten. Doch wichtig zu betonen ist auch: Alles kann, aber nichts muss! Die Umstände selbst sind bei solch komplizierten psychischen Prozessen ganz entscheidend. So gibt es durchaus auch Menschen, die die schlimmste Scheidung gut verarbeiten konnten und es schaffen hinterher selbst stabile Beziehungen zu führen, mit und ohne professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben [4].
Fazit
Gerade die Folgen für Kinder können meine Leser*innen gut nachvollziehen. Jenny beginnt zunächst die eigene
Situation zu verdrängen, sie fühlt sich für das Glück ihrer Mutter verantwortlich und will sich selbst aus solchen Liebesdingen gänzlich heraushalten. Dass dieser psychologische Druck zu
körperlichen Symptomen führen kann, wird besonders deutlich, als sie es eines Nachts nicht mehr aushielt und versuchte sich selbst mit Alkohol zu betäuben.
Scheidungen sind entsprechend keine leichte Angelegenheit, für die Scheidenden, als auch für ihre Kinder. Das Wichtigste ist jedoch zu versuchen einen vernünftigen
Umgang zu wahren und zu zeigen, dass Trennungen im Guten möglich und wichtig sind. Alles andere kann dazu führen, dass Scheidungskinder später selbst Probleme kriegen, die ihnen kein Elternteil
wünschen würde.
Quellen:
[1] https://www.news4teachers.de/2017/07/immer-mehr-kinder-in-deutschland-von-scheidungen-betroffen-viele-davon-zeigen-auch-reaktionen-in-der-schule/
[2] https://www.morgenpost.de/vermischtes/article212639849/Die-Leiden-der-Scheidungskinder-bleiben-ein-Leben-lang.html
[3] http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/ehe-und-scheidung-in-deutschland-weniger-paare-trennen-sich-a-1157132.html
[4] http://www.deutschlandfunkkultur.de/wenn-scheidungskinder-erwachsen-sind-meine-groesste-angst.976.de.html?dram:article_id=397319
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